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Von wegen Solidarität in der EU – droht der Rückzug ins nationale Schneckenhaus?


Foto: picture-alliance/dpaLeben und Studieren im europäischen Ausland – durch das Erasmus-Programm leicht möglich. Foto: picture-alliance/dpa

Während das gelebte Europa immer mehr zusammen zu wachsen scheint, drohe politisch eine Rückkehr auf die nationalstaatlichen Ebenen. Eine paradoxe Entwicklung? Und wie steht es um die Solidarität in der EU? Diese Beobachtungen und Fragen will die Konferenz Fwd: Europe Ende September in Berlin, und bereits jetzt auf Publixphere, mit euch diskutieren.


Ein Beitrag von Fwd:Europe

Der zähe Gipfelmarathon zur Griechenland-Rettung und das Fehlen einer funktionierenden europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik haben das Bild der Europäischen Union in diesem Sommer geprägt. In beiden Fällen könnte man sagen: Das Gemeinsame in Europa scheint zunehmend an nationalen Egoismen zu scheitern. Und es bietet sich ein paradoxes Bild: Während Europa für viele Menschen im Alltag mit positiven Erfahrungen und Begegnungen verbunden ist, die sie beim Reisen ohne Grenzen oder beim Austausch in Schule, Studium, Beruf machen, droht Europa auf politischer Ebene eine Rückkehr ins nationale Schneckenhaus.

Wir wollen mit Euch diskutieren:

  • Wie passt das zusammen und wie nehmt Ihr das wahr? Sind wir von einer Politischen Union oder Europäischen Republik weiter entfernt als noch vor einigen Jahren?
  • Wie können wir die Begeisterung für das gelebte Europa auch in Identifikation mit dem politischen Projekt übersetzen?

Bei der Tagung „Fwd: Europe“ werden wir diesen Fragen nachgehen. Ulrike Guérot (European Democracy Lab, www.ulrikeguerot.eu) eröffnet mit einer Keynote. Anschließend diskutieren wir mit Leuten, die über ihre Projekte die europäische Demokratie in Schwung bringen wollen. Mit dabei: Blerina Karagjozi (www.one-europe.info), Mayte Schomburg (www.publixphere.net), Jon Worth (www.jonworth.eu) und Benjamin Zeeb (www.democraticunion.eu).

Eure Themen, Anregungen, Fragen aus dieser Online-Diskussion fließen in die Diskussion vor Ort ein!

Siehe hierzu ebenso die Diskussion POLITISCHE Bildung für die europäische Demokratie.


Links zur Debatte:


Kommentare

  • Fwd:Europe ist dafür
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    A Contribution by Blerina Karagjozi (one-europe.info):

    When we think about the European Union, many consider it as a successful model and one of the biggest success stories of international politics. This makes us proud as Europeans! The economic collapse of Ireland, Spain, Portugal and Greece has started years ago. The European Union’s sui generis status is not a fully-fledged federal entity and not a mere collection of nation-states. This is clearly revealed by the crisis of the Euro zone. Looking back in the centuries, when today's’ EU member states were fighting against each other in massive conflicts and even World Wars, it is a huge change in the human history the tight bond created by a series of interlocking institutions and legal framework. Political integration through institutional unification and market exchanges rather than conflicts or territorial expansions; has created the typology of the newest political entity in the global political model which we like to refer to as the democratic political system. This system in my view has very strong institutional linkages and it’s based in a wide range political consensus between the member states community which assures its existence for the future.

    • Dear Blerina, your dream of a "wide range political consensus beteen the member states" in this very hours turns into a nightmare. Open your eyes and take a look at the Hungarian-Serbian border.

      • Dear Nemo, thank you for your comment. I actually feel you are completely right, I am a dreamer and a believer in the European values. I wish to add that just like you and many others I am touched and shocked by what is happening to several arrival points and borders. I agree this is not what Europe should do or be. I can't justify these actions, but at the same time I cannot hide my high esteem and belief that we will find a succeful way out and a solution based on human rights and feelings that as humans we all care about people in need, especially those running away from war and terror. Once again, I believe Europe has all the capacities to deal with this and much more.

        • Dear Blerina, thank you for your comment, and for your optimistic outlook. I am convinced, like you, that we can find a way out of the current situation that nemo (rightly) calls a nightmare.

          But in the face of the Union's current incapacity to deal with this refugee crisis, amongst a range of other problems, it feels like we are in a moment where things could go both ways: either we come out of this crisis stronger, or Europe falls apart. What can we do now to prevent the latter from happening?

          • Dear Mayte, thank you for your comment, and also for the very fruitful discussions we had last week. Flying back to Tirana, I had once again this feeling that appart from addressing the problem at its origin, maybe the EU could consider empowering the boarder countries to be able to serve as receiving countries and services can be provided at an earlier stage. In our case we have had such experiences not very far in time and would be able to do so again, if funds are availble.

  • Ulrike Guérot European Democracy Lab
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    Solidarität in der EU – droht der Rückzug ins nationale Schneckenhaus?

    Ich beginne mit Jean Monnet: „Die so genannten Nationalen Interessen sind lediglich die Interessen nationaler politischer und wirtschaftlicher Eliten, in deren Bilanzen die Bevölkerung bloß einen Abschreibposten darstellt“ – genau das passiert heute wieder. Es sind die Nationalstaaten und ihre politischen Vertreter, die sich nicht einigen können, auf Flüchtlingsquoten für die EU, auf bail-out Pakete oder Schuldenschnitte, und auch nicht auf eine europäische Arbeitslosenversicherung, da sie populistischen Stimmen hinterherlaufen, nur weil diese laut sind – während die europäischen Bürger in ihrer großen Mehrheit solidarisch sind und eine andere Politik einfordern. Wie eine Studie des WZB kürzlich ermittelt hat, haben rund 70% der Bürger in Europa den Grundsatz der politischen Gleichheit längst akzeptiert. Es ist darum an der Zeit für eine neugestaltete transeuropäische Demokratie und einen neuen, europaweiten Parlamentarismus jenseits nationaler Grenzen, in der die europäischen Bürger sich emanzipieren und ihre Interessen zur Geltung kommen können, anstatt am Gängelband vermeintlich nationaler Interessen verraten zu werden.

    • Liebe Ulrike Guérot,

      ich gebe Dir recht, die europäischen Bürger sind in ihrer großen Mehrheit solidarisch - sogar in Sachsen. Die Protestbewegung dort nennt sich Pegida, also "Patriotische Europäer..."

      M.E. droht nur die unterschiedliche Einstellung der europäischen Länder zur Flüchtlingsfrage die EU zu spalten, u.z. nicht nur auf höchster politischer Ebene, sondern auch in der Bevölkerung.

      Ich weiß nicht, ob es für Europa gut war, dass Angela Merkels Deutschland sich in den letzten Wochen zum Klassenprimus aufgespielt hat, zur großen Hoffnung für alle Flüchtlinge, zur "Mama Merkel", womit die Verurteilung Ungarns und anderer Ankunftsstaaten des Flüchtlingsstroms, die mit der Registrierung der Flüchtlinge überfordert waren und sind, verbunden war und ist.

      "Wir (d.h. Deutschland) schaffen das" ist das Signal. Warum also die Forderung an die anderen europäischen Länder, Flüchtlinge nach einer Quote aufzunehmen? Wenn wir das doch allein schaffen? Oder ist es nicht doch ein Eingeständnis, dass wir es nicht national, sondern nur europäisch schaffen? Vielleicht hinkt mein Vergleich etwas, aber ich wage ihn: Es kommt mir so vor, als würde eine Schülerin auf Facebook zu ihrer Geburtstagsparty einladen, und als würden dann statt der erwarteten 30 Gäste 1000 kommen, und als würde sie jetzt aus Überforderung verlangen, dass die ganze Nachbarschaft ihr Gäste abnimmt. Das Vorpreschen Deutschlands war nicht mit den anderen europäischen Ländern abgesprochen. Und die jetzt stattfindende Diskussion zeigt wenig Empathie Deutschlands mit den europäischen Nachbarn. Sie zeigt eigentlich nur Selbstgefälligkeit.

      Will damit sagen: In Deutschland wird in der Bevölkerung durch die Anklagen, die an andere europäische Länder gerichtet werden, die Animosität gegen die EU geschürt. Und in der Bevölkerung der anderen EU-Länder entwickelt sich eine Animosität gegen die arrogante Dominanz Deutschlands in der EU, das ihre Länder und ihre
      Probleme mit starken Minderheiten im eigenen Land nicht kennt und nicht kennen will.

      Die Registrierung der Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen ist eine europäische Aufgabe. Die Verteilung der Flüchtlinge auf die europäischen Länder sollte pragmatisch und nüchtern und empathisch geschehen, unter Berücksichtigung der Eigenproblematik der europäischen Länder und der Sprachprobleme der Flüchtlinge (was nützt es z.B. ein paar Tausend Flüchtlingen, in Lettland aufgenommen zu werden und die lettische Sprache lernen zu müssen, die nur von 2 Mill. Menschen auf dieser Erde gesprochen wird, ist das nicht auch eine Sackgasse für die Flüchtlinge?) Auf jeden Fall nicht so selbstgerecht, wie es auf deutscher Seite gegenwärtig geschieht.

      Auf jeden Fall ist die europäische Ebene bei allem, was die Menschen in Europa betrifft, auch bei der breiten Masse der Bevölkerungen im Gegensatz zu früher (noch vor ein paar Jahren) total im Bewußtsein.

      • Die Ablehnung des Islam (Pegida) ist für mich kein Ausdruck von Solidarität.

        Die Registrierung der Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen ist eine europäische Aufgabe.

        Das stimmt leider nicht. Bislang ist das nämlich eine nationale Aufgabe und genau das ist ja das Problem, weil Italien, Griechenland oder Ungarn einfach alleine gelassen werden. Deutschland hätte diesen Ländern besser frühzeitig solidarisch geholfen, anstatt sich einfach nur auf Dublin zu berufen. Das Problem ist ja seit Jahren bekannt.

        Insgesamt ist Deutschland (bezogen auf das Regierungshandeln) nicht solidarisch und das fällt ihm jetzt auf die Füße.

        • Hallo MisterEde,

          ich meine auch nicht, dass die Anhänger der Pegida "gute Europäer" sind, und ich sympathisiere auch nicht mit ihnen. Aber immerhin nennen sie sich nicht "Patriotische Deutsche..." oder "Patriotische Sachsen...".

          Mein Satz "Die Registrierung der Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen ist eine europäische Aufgabe" ist als Postulat gemeint.

          • Für mich kommt es auf den Inhalt und die Aktivität einer Gruppe an, weil Namen aus meiner Sicht nur Schall und Rauch sind.

            Ich hatte das nicht als „Postulat“ erkannt, aber dann bin ich an diesem Punkt ganz bei Ihnen. Gesamteuropäischen Herausforderungen müssen gesamteuropäisch angegangen werden.

    • Es ist ja zu einem großen Teil richtig was Sie schreiben, aber ich zweifle daran, dass Sie damit jene Menschen erreichen, die erreicht werden müssten. Alleine die Wehklage des Populismus wird sicher nicht genügen, um Bürger von der Idee der europäischen Integration zu überzeugen.

      Vielmehr bräuchte es das Engagement in der Breite, die Bereitschaft zur ernsthaften Auseinandersetzung und das Zugehen auf die Unentschlossenen. Sonst bleibt das inhaltlich Richtige belanglos.

  • Es sollte niemanden wundern, dass sich die Union mit europaskeptischen Strömungen konfrontiert sieht. Europa als vielfältiger Kulturraum ist für viele Bürger schon lange eine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig wurde das europäische Integrationsprojekt nie mit Demokratie gefüllt. Europäische Politik spielt sich bis heute in Hinterzimmern ab, fernab einer kritischen Öffentlichkeit. Und je mehr in Brüssel entschieden wird, desto größer in den Augen vieler Bürger der Souveränitäts- und Machtverlust der Nationalstaaten bei gleichzeitigem Ausbleiben gewonnener Chancen.

    Es gab und gibt viel an Europa zu kritisieren, nicht zuletzt die sich in der derzeitigen Flüchtlingskrise offenbarenden Grenzen der Solidarität. Dieser Kritik muss Raum gegeben werden. Doch es gibt gleichzeitig auch Vieles, was gut läuft in der EU. Die Solidarität der Bürger untereinander scheint wesentlich größer zu sein als die der nationalen Regierungen untereinander. Zeit also, die Bürger stärker in die Gestaltung der Union einzubinden. Die Demokratie ist schließlich immer noch ein Grundwert der Union und sollte daher auch auf europäischer Ebene stärker gelebt werden.

    • Hallo Mayte

      Also ich würde jetzt nicht sagen, dass die EU nie mit Demokratie gefüllt wurde, aber ich würde insoweit zustimmen, als sie nicht mit ausreichend Demokratie gefüllt ist. Das aber ist die Folge der Konstruktion der EU als Zusammenschluss von 28 souveränen Nationalstaaten bzw. der fehlenden europäischen Integration.

      Nun aber die entscheidende Frage: Wem nutzt denn diese Konstruktion bzw. dieses Gegeneinander? Der Wirtschaft, die mit viel Geld, Lobbyisten und Einfluss ausgestattet ist, oder den Bürgern, die dann nicht mal wissen, gegen wen sie demonstrieren müssen, wenn sich am Verhandlungstisch der 28 Regierungschefs hinter verschlossenen Türen mal wieder genau diese Automobil-/Pharma-/Agrarlobby durchgesetzt hat?

      Wir brauchen z.B. eine Stärkung des Europaparlaments, aber dafür braucht es dann auch die Bürger, die genau das einfordern.

  • Wenn man Menschen von der europäischen Idee überzeugen will, muss man auf die Bürger zu gehen und darf nicht einfach warten, bis die Bürger zu einem kommen. Ich wüsste daher gerne, wie viele Menschen, die nicht aus Berlin oder Umgebung kommen, bei der Veranstaltung anwesend sind.

    Als Info: Im Großraum Berlin leben gerade mal 5 - 6 Millionen Menschen. Bleiben noch 75 Millionen Bürger, die nicht dort leben.

    Bei TTIP, da stehen halt große Kapitalinteressen dahinter, klappt das sehr gut. Die wissen wie das funktioniert und gehen dann auch in kleine Städte. Wer diesen Aufwand scheut, braucht sich aber meines Erachtens nicht wundern, wenn der Gedanke der europäischen Integration nicht aus der „Berliner Blase“ heraus kommt.

    • Hallo MisterEde, die Frage, wie man mit so einer Diskussion in die Breite kommt, ist wirklich schwer zu beantworten. Weil die konkrete Frage gestellt war: Bei der Tagung kommen Leute aus ganz Deutschland und einige aus anderen europäischen Ländern. Also ca. 60% nicht aus Berlin und viele Menschen, die Diskussionen in bundes- und europaweite Netzwerke weitertragen können. Es dürfen gern noch mehr werden ;-)

      • Hallo @Fwd:Europe

        Das sind doch aber dann genau jene, die eh schon für die europäische Integration begeistert sind. Was ich frage ist: Wo sind die Veranstaltungen z.B. in Freital, in den eher ländlichen Regionen, abseits der Metropolen? Wo ist die Überzeugungsarbeit für jene, die nicht mal eben nach Berlin jetten können oder auch wollen? Wer geht dorthin, wo die Mehrzahl der Menschen lebt und leistet dort Überzeugungsarbeit? Welche Konzepte gibt es hierfür?

        Die Eliten, die von Wien über Brüssel und Kopenhagen nach Berlin reisen, um sich in der eigenen Haltung bestärken zu lassen, sind nicht mein Thema – mit denen macht man am Ende nämlich keinen Staat. Ich denke, dass Ziel muss es sein, Eure, meine, unsere Begeisterung an Frau und Mann zu bringen.

        Falls das missverständlich war: Eure Veranstaltung ist top! Meine Frage ist, wie man das zu den Bürgern bringt und zwar nicht nur zu jenen, die in Berlin, Hamburg, München, Köln oder diesen Metropolen leben, sondern in Chemnitz, Emden, Heilbronn oder Meppen.

        • Hallo MisterEde, ich glaube, dass die Eliten tatsächlich etwas am Europadiskurs ändern könnten. Daher halte ich Veranstaltungen wie Fwd:Europe auch (und gerade dann) für relevant, wenn sie in Berlin stattfinden. Auch dann, wenn sie in erster Linie die bereits Interessierten versammeln. Denn irgendwie, so mein Eindruck immer wieder, scheuen die politischen Eliten den kritischen Diskurs über Europa. So, als wäre jede Kritik an Europapolitik gleich Fundamentalkritik am europäischen Projekt. Wenn man sie auf diesen Veranstaltungen davon überzeugen könnte, irgendwie, dass es sich wirklich lohnt eine kritischere Debatte über Europa zuzulassen, dann wäre schon viel gewonnen.

          • Hallo Mayte

            Ja und Nein! Es sind für mich zwei unterschiedliche Ebenen. Auf der Ebene der „europäischen Eliten“ (Im Sinne des politischen Spitzenpersonals, EU-Experten, Journalisten, interessierte Bürger) müssen sich die Beteiligten mit der EU auseinandersetzen, sich gegenseitig befruchten und daraus Zielvorstellungen entwickeln.

            Es gibt aber auch die Ebene der demokratischen Legitimation und hier braucht es die Zustimmung der Mehrheit der Bürger und zwar quer durch die EU. Letztere Ebene wird aber aus meiner Sicht vernachlässigt, weshalb ich eben darum bitte, auch diese Ebene wahrzunehmen.

            Gerne bin ich bereit, neben den Strukturproblemen der EU, die ich immer wieder thematisiere, auch zu diesem Punkt eine kritische Debatte zu führen.

            • Es gibt aber auch die Ebene der demokratischen Legitimation und hier braucht es die Zustimmung der Mehrheit der Bürger und zwar quer durch die EU. Letztere Ebene wird aber aus meiner Sicht vernachlässigt, weshalb ich eben darum bitte, auch diese Ebene wahrzunehmen.

              Vollste Zustimmung. Ich kann nur auf das verweisen, was Fwd:Europe unten geschrieben hat.

              Passend ist auch dieser offene Brief Tschechischer Bürger an ihre Regierung: Liebes Europa

              • Hallo Mayte

                Danke für den Link!

                Das Engagement dieser Gruppe (die ich zur ersten Ebene zählen würde) ist lobenswert und richtig. Und wenn es diesen 3.000 auch noch gelingt, die Stimmung in Tschechien, also bei der Mehrheit der Bevölkerung (meiner so definierten zweiten Ebene), so zu verändern, dass die Regierung gar nicht mehr anders kann, als sich solidarisch mit Flüchtlingen zeigen, dann lebt die dortige Demokratie mit genau dem europäischen Geist, den sich diese 3.000 und auch ich mir wünschen würden.

                Und genauso sehe ich das auch bei der hier geführten Debatte (Rückzug ins nationale Schneckenhaus?). Nur wenn es denjenigen, die eine Europäische Integration auf Basis einer gesamteuropäischen Demokratie wollen, gelingt, jene Menschen im Land zu überzeugen, die „Europa“ bislang wenig kümmert oder die sich vielleicht andere Wege für die EU wünschen, sei es eine Renationalisierung oder andere Varianten des europäischen Zusammenlebens, kann das Ziel der Europäischen Integration auf Basis einer gesamteuropäischen Demokratie erreicht werden.

            • Vielen Dank für die Klarstellung, was hier unter europäischen Eliten verstanden wird. Ich würde "interessierte Bürger" eindeutig nicht dazu zählen. Zumindest kann ich Menschen, die sehr häufig mit viel Engagement, ehrenamtlich oder aus zumindest wenig gesicherten bzw. nicht ausgesprochen gut bezahlten Beschäftigungsverhältnissen heraus, Projekte für ein gesellschaftliches Zusammenwachsen Europas auf die Beine stellen, nicht als Eliten bezeichnen. Viele der Menschen und Netzwerke, die bei "Fwd:Europe" vertreten sein werden, machen das aus dem Selbstverständnis einer europäischen Bürgergesellschaft heraus. Und es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, dass aller Widrigkeiten zum Trotz "pro-europäisch" zu denken, schon eine elitäre Position ist.

              Klar ist aber auch: Innerhalb einer solchen Bürgergesellschaft gibt es natürlich ganz unterschiedliche Positionen, die auch von persönlichen Hintergründen, der sozialen Situation usw. geprägt sind. Deswegen stellen wir als eine zentrale Frage: Welche Erwartungen haben (junge) Menschen an die Europäische Union? Was muss dieses Gemeinwesen leisten, damit Bürger/innen das Gefühl haben: Mir geht es besser, wenn dieses Europa funktioniert.

              • Der Begriff Elite ist ja grundsätzlich nicht trennscharf. Insofern können Sie die "interessierten Bürger" aus meinem Kommentar gedanklich auch herausstreichen.

                Ausgedrückt werden sollte damit vor allem, dass viele interessierte und engagierte Bürger genauso in der Lage sind, den Diskurs über die Zukunft der EU zu führen. Und ich hoffe, dass Sie mir da nicht widersprechen wollen.

            • Vielleicht als Anmerkung: Vor über einem Jahr habe ich mich mit genau diesem Anliegen, also eine Debatte zu führen, an das Programm „Europa für Bürger“ gewendet. Ist aber anscheinend nicht gewollt.

              Proven again: EU is only for big organisations but not for citizens

              Was soll ich als Bürger dazu dann noch sagen?

              Oder was helfen Eliten, die zwar so tun, als ob sie sich für den Dialog mit Bürgern interessieren, aber das ganze nur heiße Luft ist?

              Der „New Pact for Europe“ – Sinnbild für das Abheben einer europäischen Elite

              Ich fürchte, ich wurde einfach zu oft enttäuscht, als dass ich diesen „Eliten“ noch irgendwie vertrauen könnte.

        • Hallo MisterEde,

          Ich denke, auch die Bürger/innen in Chemnitz, Emden, Heilbronn oder Meppen haben es schon verinnerlicht, dass Europa sie unmittelbar angeht, dass die europäische Politik unmittelbar Auswirkungen hat auf ihr persönliches Leben, und sie denken mit und machen sich Gedanken. Man braucht sie nicht zu wecken, und man sollte sie nicht unterbewerten. Aber die Frage ist prinzipieller Art: Wie kann der Einzelne mitwirken am Prozess der europäischen Integration? Tun die Abgeordneten des EP, welcher Partei auch immer, genug in ihren heimatlichen Wahlbezirken, um vor Ort über europäische Politik zu diskutieren und die Menschen mitzunehmen in Entscheidungsprozesse? Wer kennt schon den Europa-Parlamentarier der Konservativen, der Sozialdemokraten , der Liberalen, der Linken usw. seiner Region?

          • Die Wahlbeteiligung zur letzten Europawahl zeigt, dass alles perfekt ist. Das gute Ergebnis der AfD natürlich auch, genauso wie die fehlende Zustimmung zur europäischen Integration quer durch die Bevölkerung. Und hier vor Ort sage ich jenen, die Zweifel haben, fahrt mal eben nach Berlin. Alles ganz easy, rosarot, Sonnenschein. Ironie Ende!

            Mein Wunsch ist ganz einfach, dass man auch die Menschen außerhalb Berlins mitnimmt, weil ich glaube, dass diese Menschen genauso wichtig sind. Wenn es eine Geringschätzung gibt, dann doch dadurch, dass solche Veranstaltungen eben nicht vor Ort stattfinden, so als ob man auf diese Menschen einfach verzichten kann.

        • Fwd:Europe ist dafür
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          Hallo MisterEde,

          vielen Dank für das nette Feedback zur Veranstaltungsidee. Wir sind gespannt auf die Diskussionen und haben die Frage auf jeden Fall notiert. Ein paar Gedanken, in welche Richtung man aus Sicht der politischen Bildung denken kann:

          1. Es ist von zentraler Bedeutung, dass Europa vor Ort erlebbar wird und eben nicht nur in Brüssel, Straßburg oder den Metropolen. Die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische JUgendbildung, die diese Veranstaltung initiiert hat, macht bundesweit politische Jugendbildung. Und für viele andere Träger gilt das genauso. Tatsächlich sind die meisten Bildungsstätten im ländlichen Raum. Hier sollte man versuchen, die europäische Vielfalt vor Ort zu nutzen. Gerade in den letzten Jahren sind mit Mobilitätsprogrammen oder auf eigene Faust nicht nur Studierende, sondern auch viele andere für Ausbildung und Job nach Deutschland gekommen. Es ist spannend, diese Menschen zusammen zu bringen und über Themen wie die Auswirkungen der "Krise" in unterschiedlichen Ländern zu sprechen, über Arbeitsbedingungen oder Solidarität in Europa.

          2. Damit verbunden ist die Frage, die wir auch weiter oben gestellt haben. Was sind eigentlich Themen, die für Menschen wichtig sind und bei denen die Europäische Union gemeinsam Lösungen finden muss? Wenn die Mitgliedstaaten aktuell mit einer nationalstaatlichen Politik in der Asyl- und Flüchtlingspolitik scheitern, dann ist das ja ein guter Ansatzpunkt, um über eine europäische Lösung nachzudenken. Da, wo es kontrovers wird, wird es auch interessant. Man könnte auch sagen: Die Menschen müssen die Europäische Union ja nicht lieben, aber verstehen, dass es mit funktionierenden europäischen Regeln allen besser geht. Also - was wären andere Themen? Das kann vielleicht auch regional sehr unterschiedlich sein, was zieht.

          3. Insgesamt geht es ja bei einer europabezogenen Bildung auch darum, sich vom nationalen Blickwinkel zu lösen. Dafür ist die jeweilige Region - oder um ein Wort zu benutzen, das man keinesfalls den falschen Leuten überlassen sollte - Heimat eigentlich ein guter Ansatzpunkt. Denn die Geschichte der Regionen in Europa ist immer auch Migrations- und Verflechtungsgeschichte. Wer hat die Heimatregion geprägt? Welche Beziehungen zu Nachbarländern sind heute wichtig? Wo liegen heute Probleme und mögliche Lösungen? Gerade Strukturwandel und Abwanderung im ländlichen Raum könnten eigentlich Themen sein, die vielen Menschen in Europa ein Anliegen sind.

          Soweit ein paar Gedanken - vielleicht gibt es noch bessere Ideen?

          • Die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische JUgendbildung, die diese Veranstaltung initiiert hat, macht bundesweit politische Jugendbildung.

            Das freut mich. Und wann führen Sie Ihre nächste Veranstaltung mit solch tollen Gästen hier vor Ort (Siegen) durch? Den Termin würde ich mir dann nämlich gerne freihalten. Freue mich schon riesig.

            Beste Grüße
            Mister Ede

          • Hallo Fwd:Europe

            Dann habe ich die Veranstaltung so aber auch nicht ganz verstanden gehabt. Wenn ihr versucht, Menschen aus unterschiedlichen EU-Ländern zusammenzubringen, dann ist Berlin sicher keine schlechte Wahl.

            Und Jugendbildung ist immer wichtig, nur war mir auch hier nicht bewusst, dass das eine Jugendveranstaltung sein soll.

            Insoweit befürworte ich das. Jedoch bei uns vor Ort gab es in den letzten Monaten keine Veranstaltung zur EU. Im Gegenteil, wenn ich bei Stiftungen, Organisationen und Institutionen angefragt habe, ob eine solche Veranstaltung nicht auch hier durchgeführt werden kann, wurde das immer abgelehnt.

            Worauf ich mich mit meinem Anfangs-Kommentar beziehe, ist die Eingangsfrage hier im Beitrag:

            Während das gelebte Europa immer mehr zusammen zu wachsen scheint, drohe politisch eine Rückkehr auf die nationalstaatlichen Ebenen. Eine paradoxe Entwicklung?

            Und genau diese Frage versuche ich zu beantworten, weil es nämlich keine paradoxe Entwicklung ist, sondern der Tatsache geschuldet, dass viele Menschen Europa anders wahrnehmen als ihr und ich.

            Meine Wunschvorstellung der EU habe ich schon vor einiger Zeit beschrieben:

            Europia (mister-ede - 5.5.2013)

            Und welche Themen ich bei der EU sehe zur letzten EU-Wahl:

            Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union (mister-ede 20.4.2014)

            Soweit ein paar Gedanken - vielleicht gibt es noch bessere Ideen?

            Sicher nicht besser, aber eben mein Beitrag ist zum Beispiel ein Erklärtext Gewaltenteilung und Demokratie in Deutschland und der EU der jedes Jahr tausendfach abgerufen wird und damit nach meiner Überzeugung im besten Sinne des Wortes politische Bildung darstellt.

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    • Hallo MisterEde, ich glaube schon, dass der Gedanke der europäischen Integration nicht nur in der Berliner Blase präsent ist. Und bei der Fwd:Europe Tagung wird sich wirklich viel Mühe gegeben, den Teilnehmerkreis zu erweitern. Allerdings kann man ohnehin von einer einzigen zivilgesellschaftlichen Veranstaltung nicht erwarten, die breite Masse zu erreichen...

      • Hallo Mayte

        Allerdings kann man ohnehin von einer einzigen zivilgesellschaftlichen Veranstaltung nicht erwarten, die breite Masse zu erreichen...

        Erstens verlangt das niemand und zweitens geht es um etwas ganz anderes. Ihr werdet diskutieren, einige Themen bearbeiten und Euch gegenseitig darin bestärken, wie wichtig die europäische Integration ist und doch wird dies nichts an der Skepsis in der breiten Bevölkerung gegenüber dem Elitenprojekt EU ändern.

        Und drittens: Das heißt in keinster Weise, dass es nicht ein lobenswertes Engagement ist, dass die Veranstaltung falsch oder unwichtig sei. Wenn Sie meinen Wunsch, dass stärker auf die Menschen zugegangen wird, um sie für Europa zu begeistern, als Kritik an dieser Veranstaltung verstehen, zeigt mir das nur, wie groß der Spalt zwischen der europabegeisterten Elite und den normalen Bürgern ist.

        • Ich verstehe Ihren Wunsch, dass stärker auf die Menschen zugegangen wird, um sie für Europa zu begeistern, nicht als Kritik an irgendetwas. Sondern bin da ganz bei Ihnen.

          Auf Veranstaltungen, bei denen es um Europa geht, wird der Spalt zwischen Europabegeisterten und "normalen Bürgern" (wer immer das ist) vielleicht immer deutlicher als anderswo. Ich bin, wie Sie, total dafür, den Dialog viel stärker zu öffnen. Und abgesehen davon propagiere ich immer wieder, dass wir kritischer über Europa sprechen müssen.

          Was die Öffnung des Dialogs angeht, so halte ich diese Veranstaltung deshalb für konstruktiv, weil sie nicht den üblichen Verdächtigen die große Bühne überlässt, sondern kleineren Initiativen.

          • weil sie nicht den üblichen Verdächtigen die große Bühne überlässt

            Das stimmt, auch das ist ein lobenswerter Aspekt an der Veranstaltung.

            Ansonsten würde ich aber vorschlagen, dass wir diesen Themen-Bereich (zumindest für uns) abschließen:

            Es ist wichtig, die politischen Akteure zu überzeugen.

            Es ist wichtig, den Austausch der Europa-Interessierten zu fördern.

            Es ist wichtig, den Diskurs zwischen Politik und Zivilgesellschaft zu fördern.

            Es ist wichtig, auch die übrigen Menschen (also z.B. in Deutschland die 56,91% Nichtwähler bei der letzten Europawahl) zu überzeugen.


            Es ist wichtig, in den Metropolen zu diskutieren.

            Es ist wichtig, abseits der Metropolen zu diskutieren.

            Es ist wichtig grenzüberschreitend zu diskutieren.


            Der Wunsch nach mehr von dem einen, ist nicht der Wunsch nach weniger von dem anderen.